War Jesus mehr als nur ein großer Mensch? Ist das überhaupt wichtig?
- theobreisacher
- 1. Okt.
- 16 Min. Lesezeit
Gottesdienst von Pfarrer Theo Breisacher in Staufen am 15. Juni 2025 zum Jubiläum:
"1700 Jahre Bekenntnis von Nicäa-Konstantinopel im Jahr 325"

Foto: Pixabay
Begrüßung & Einstimmung
Einen wunderschönen guten Morgen! Ich möchte Sie alle ganz herzlich zu diesem besonderen Gottesdienst heute am Trinitatisfest begrüßen! Wir begehen heute ein sehr seltenes Jubiläum: Genau 1700 Jahre her, dass in der Nähe von Istanbul eine Synode mit über 300 Bischöfen stattfand. Das Glaubensbekenntnis, das auf jener Synode formuliert und beschlossen wurde, wird heute noch auf der ganzen Welt in christlichen Gottesdiensten gesprochen: Man nennt es das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel aus dem Jahr 325.
Es ging damals zu Beginn des vierten Jahrhunderts um die Frage, ob Jesus Christus wesensgleich mit Gott, dem Vater, ist. Oder ob Jesus nur ein Geschöpf Gottes ist: also dem himmlischen Vater klar untergeordnet, weshalb man ihn dann auch nicht als Gott bezeichnen kann. Das hat damals die Gemüter außerordentlich beschäftigt und erhitzt. Sie sehen hier eine Miniatur aus dem Jahr 1000 über die Synode in Nicäa im Jahr 325: Vierter von rechts in der Mitte ist Kaiser Konstantin. Am Boden liegt Arius, dessen Lehre verworfen wurde.
Im Rückblick auf jene Zeit schreibt der Kirchenlehrer Gregor von Nyssa Ende des 4 Jahrhunderts über Konstantinopel: „Diese Stadt ist voll von Handwerkern und Sklaven, die alle tiefgründige Theologen sind und in den Läden und auf den Straßen predigen … Wenn du von einem Manne ein Geldstück gewechselt haben willst, wird er dich zunächst darüber belehren, worin der Unterschied zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn besteht; und wenn du nach dem Preis von einem Laib Brot fragst, wird man dir an Stelle einer Antwort erklären, dass der Sohn dem Vater untergeordnet ist; und wenn du wissen willst, ob dein Bad fertig ist, wird der Bademeister dir antworten, der Sohn Gottes sei aus dem Nichts geschaffen worden.“ So hat Gregor von Nyssa jene aufregenden Jahre erlebt.
Auch wenn es damals vermutlich nicht nur um das Seelenheil ging, sondern auch um Macht und Einfluss, darf man nicht vergessen, dass es tatsächlich um zentrale Fragen unseres Glaubens ging.
Ich fände das klasse, wenn man auch heute noch mitten im Alltag theologische Gespräche führen würde. Während man am Supermarkt an der Kasse wartet, fragt man seinen Hintermann: „Hast du das Bibelwort in den Herrnhuter Losungen heute verstanden?“ Und vor lauter Diskutieren, muss einem die Dame an der Kasse freundlich bitten, endlich die Waren aufzulegen. Ich fände das wunderbar! So ähnlich sei das damals zugegangen.
Dieses Thema passt heute ganz besonders: am Sonntag Trinitatis: dem Dreieinigkeitsfest. Denn wir bekennen als Christen nicht nur Jesus Christus als Gottes Sohn, sondern auch den Heiligen Geist als Teil der göttlichen Trinität.
Gebet & Zuspruch
Du, den kein menschliches Auge sehen kann, du siehst uns.
Du, den kein menschliches Ohr vernimmt, du hörst uns.
Du, dessen Handeln uns oft verborgen bleibt, dir sind wir unendlich wichtig.
Du ferner und erhabener Gott, du suchst unsere Nähe.
In deinem Sohn Jesus Christus zeigst du uns dein Gesicht.
Du gerechter und heiliger Gott, du gibst uns trotz allem nicht verloren.
In deinem Sohn Jesus Christus schenkst du uns Gnade und Vergebung.
Du lebendiger und phantasievoller Gott, du brauchst uns kleine Menschen in dieser Welt.
Schenke uns deinen Heiligen Geist, damit dein Reich wachsen kann.
Dreieiniger Gott, mach uns jetzt offen für deine Gegenwart.
Nimm alles Störende weg. Erfülle uns mit deiner Liebe und mit deinem Geist.
Herr, erbarme dich!
Hört den Zuspruch der Gnade Gottes:
Herr, deine Güte ist unvorstellbar weit wie der Himmel. Deine Treue reicht so weit, wie die Wolken ziehen.
Deine Gerechtigkeit ist unerschütterlich wie die mächtigen Berge. Deine Entscheidungen sind unermesslich wie das tiefe Meer.
Du bist die Quelle – alles Leben strömt aus dir. In deinem Licht sehen wir das Licht. Amen.
I) Wozu braucht man überhaupt Bekenntnisse?
Wir möchten uns dem Thema dadurch nähern, dass wir uns zunächst über die Bedeutung von Glaubensbekenntnissen Gedanken machen. Zunächst die Frage: Was ist ein Glaubensbekenntnis?
Nun: Ein Glaubensbekenntnis ist ein fest formulierter Text, der den persönlichen Glauben und den Glauben einer ganzen Gemeinschaft zum Ausdruck bringt. In einem Glaubensbekenntnis werden zentrale Glaubensinhalte zusammengefasst: Zum Beispiel dass sich unsere Welt einem Schöpfer verdankt und dass Gott wie ein liebevoller Vater ist. Dass in Jesus Christus Gott selber Mensch geworden ist, um die Welt zu erlösen. Dass Gott durch den Heiligen Geist in uns wohnt und zu neuen Menschen macht.
Zweite Frage: Wie kam es zu den ersten Bekenntnissen?
Bereits in den ersten Jahrhunderten der Christenheit wurde die Notwendigkeit erkannt, dass man zentrale Überzeugungen in einem Bekenntnis zusammenfasst. Grundlage und Ausgangspunkt dieser frühen Bekenntnisse war immer die Bibel bzw. das Evangelium von Jesus Christus.
Diesen Punkt finde ich ganz entscheidend: Ein Bekenntnis beschreibt nicht persönliche Wünsche und Hoffnungen von Menschen, sondern orientiert sich eng an dem offenbarten Wort Gottes. Jedes Bekenntnis muss deshalb immer wieder an den Aussagen der Bibel überprüft werden. Gottes Wort ist norma normans, wie die Lateiner sagen: Gottes Wort ist die normierende Norm.
Das kann man vergleichen mit dem Ur-Kilogramm: Es wird in Paris im Tresor des Internationalen Büros für Maß und Gewicht (BIPM) aufbewahrt. Bei Bedarf müssen alle Waagen auf dieser Welt an diesem Ur-Kilogramm geeicht werden.
Und genauso müssen die Bekenntnisse immer wieder an der Heiligen Schrift überprüft werden. Umgekehrt ist man beim Lesen in der Bibel manchmal etwas verwirrt, weil dort zig Themen zur Sprache kommen. Oft auch gar nicht systematisiert. Deshalb sind Bekenntnisse wichtig, um die wesentlichen Aussagen des Evangeliums zusammenzufassen.
Damit sind wir bei der Funktion eines Glaubensbekenntnisses. Ich möchte Ihnen vor allem sechs Funktion nennen:
1. Mit einem Glaubensbekenntnis drückt eine Person ihren Glauben aus und bezeugt ihn vor anderen.
Das Bekenntnis beinhaltet die zentralen Elemente des Glaubens. Es dient der persönlichen Vergewisserung und beschreibt, was im Leben wirklich trägt und auf was zu vertrauen sich lohnt. In den Christenverfolgungen der alten Kirche bekannten die Gläubigen die unaufgebbaren Inhalte ihres Glaubens. Sie aufzugeben, wäre für sie Verrat an ihrem Glauben gewesen. Manche wurden dadurch zu Märtyrern, weil sie nicht den Kaiser als Gott anbeten konnten. Es wäre ein Verrat an ihrem Glauben an Jesus Christus gewesen.
2. Mit einem Glaubensbekenntnis drückt eine Person zugleich auch die Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft aus.
Ein Glaubensbekenntnis beschreibt die Überzeugungen, die eine Gemeinschaft von Gläubigen verbindet. Und das gilt auch über die eigenen Gemeindegrenzen hinaus: Mit einem gemeinsamen Bekenntnis kann man auch die Verbundenheit mit Christen anderer Gemeinden, Gruppen und Konfessionen ausdrücken, selbst wenn man organisatorisch getrennt ist.
3. Ein Glaubensbekenntnis hat zugleich auch eine abgrenzende Funktion: Manchmal muss man sich durch ein solches Bekenntnis von abweichenden und falschen Lehren abgrenzen.
Es war den Christen vor 1700 Jahren bereits ein Anliegen, die christliche Wahrheit auch öffentlich gegen Verfälschungen und Verzerrungen zu schützen. Dabei ging es weder um abstrakte intellektuelle Spiele noch um Rechthaberei. Vielmehr geht es letztlich um das ewige Heil: Wer Jesus Christus als seinen Erlöser ablehnt, setzt damit das ewige Heil aufs Spiel.
4. Bereits im Neuen Testament hat das Bekennen seines Glaubens einen zentralen Ort im Lob Gottes und in der Anbetung.
Indem die Christen aufzählen, was ihnen elementar wichtig ist, loben sie Gott dafür, dass er ihnen das Heil geschenkt hat. Manchmal fordere ich zum Glaubensbekenntnis mit den Worten auf: Wir loben Gott mit dem Bekenntnis unseres Glaubens. Wir danken Gott und ehren ihn für seine Gnade.
5. Bekenntnisse haben auch eine katechetische Funktion:
Sie helfen jungen Christen, den christlichen Glauben kennenzulernen und die Botschaft von Jesus Christus immer tiefer zu verstehen und zu durchdringen. Dabei kann es nicht darum gehen, Glaubenssätze einfach nur auswendig zu lernen oder ihnen blind vertrauen zu müssen. Man muss sich die zentralen Gedanken des christlichen Glaubens vielmehr aneignen und selber Stellung dazu nehmen.
6. In einem eigenen Glaubensbekenntnis können einzelne Christen in ganz persönlichen Worten ausdrücken, wovon sie selber überzeugt sind, wofür sie stehen und wofür sie sich einsetzen möchten.
Sie bringen damit zum Ausdruck, welche Aspekte der biblischen Lehre bzw. der Aussagen von Jesus ihnen ganz persönlich besonders wichtig sind. Es gab zum Jubiläum des Bekenntnisses von Nicäa-Konstantinopel innerhalb unserer Landeskirche mehrere Seminare. Der letzte Teil bestand meistens darin, dass die Teilnehmer ein eigenes Glaubensbekenntnis formulieren konnten.
Das ist in diesem Rahmen völlig in Ordnung. Man darf aber eines nicht übersehen: Persönliche Wünsche und Hoffnungen tragen in Krisen des Lebens meistens nicht. Der Glaube ist kein „Wünsch-dir-was“. Was mich in den Krisen des Lebens wirklich tragen kann und was mich auch im letzten Gericht vor dem lebendigen Gott retten kann, ist allein der Glaube an die Gnade, die uns in Jesus Christus angeboten ist. Deshalb können solche persönlichen Glaubensbekenntnisse nie an die Stelle jener alten Glaubensbekenntnisse treten.
Als kleiner Vergleich: Wenn einer in einen Fluss gefallen ist und in einen Strudel zu geraten droht, kann ihm nur ein Rettungsring wirklich helfen, der ihm von außen zugeworfen wird. Unser Glaubensbekenntnis ist wie ein solcher Rettungsring, dem wir vertrauen können.
II) Lesung: frühe Bekenntnisse
Bereits zur Zeit des Neuen Testamentes haben die Christen ihren Glauben in kurzen Bekenntnissen zusammengefasst. Das kürzeste und vielleicht auch älteste Bekenntnis ist nur ein einziger Satz: „Jesus ist der Herr.“
Damit wurde unmissverständlich zum Ausdruck gebracht: Christen konnten keinen Kaiser als Gott verehren. Und stand außer Frage für sie: Jesus hat Anteil an der göttlichen Autorität: Er ist der Herr.
Eine der ersten Zusammenfassungen der christlichen Glaubensinhalte finden wir in 1. Korinther 15: Paulus beschreibt dort die Bedeutung der Auferstehung Jesu:
3 Denn als Erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift; 4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferweckt worden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas (also von Petrus), danach von den Zwölfen. 6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen. 7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
Paulus unterstreicht mit dieser Aufzählung von damals bekannten Persönlichkeiten, dass die Auferstehung Jesu auf dem Bericht von Augenzeugen beruht und nicht erfunden ist.
Ein frühes Bekenntnis ist auch der sogenannte Philipperhymnus: Er beschreibt die Bedeutung von Jesus Christus für das Heil der Menschen:
Paulus schreibt: 6 Jesus Christus war Gott gleich, hielt aber nicht daran fest, Gott gleich zu sein, 7 sondern er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich. Sein Leben war das eines Menschen; 8 er erniedrigte sich und war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz.
9 Darum hat ihn Gott über alle erhöht und ihm den Namen verliehen, der größer ist als alle Namen, 10 damit alle im Himmel, auf der Erde und unter der Erde ihr Knie beugen vor dem Namen Jesu 11 und jeder Mund bekennt: Jesus Christus ist der Herr zur Ehre Gottes, des Vaters.
Dieses Bekenntnis aus dem Philipperbrief ist für unser Thema heute besonders wichtig: Denn es bringt zum Ausdruck, dass Jesus Christus vor seinem Erdenleben bereits bei Gott war, aber als Erlöser und Retter auf diese Welt gekommen ist.
Diese Bewegung Jesu vom Himmel auf die Erde und wieder zurück war für die Christen von Anfang an ein zentraler Inhalt ihres Glaubens. Den Philipperbrief datiert man auf das Jahr 55 bis Anfang der 60er Jahre. Als nur 25 bis 30 Jahre nach dem Tod von Jesus.
Ein ähnliches Bekenntnis als geistliches Lied findet sich im 1. Timotheusbrief, Kapitel 3, 16:
16 Eins steht ohne jeden Zweifel fest: Groß und einzigartig ist das Geheimnis unseres Glaubens: In die Welt kam Christus als ein Mensch, und der Geist Gottes bestätigte seine Würde. Er wurde gesehen von den Engeln und gepredigt den Völkern der Erde. In aller Welt glaubt man an ihn, und er wurde aufgenommen in Gottes Herrlichkeit.
III) Arius und der arianische Streit
Im Jahr 325 nach Christi Geburt – also vor genau 1700 Jahren – fand in der Stadt Nicäa in der heutigen Türkei eine Synode mit über 300 Bischöfen statt. Sie sollte als eine der bedeutendsten Synoden in die Kirchengeschichte eingehen. Anlass war die Lehre von Arius, der die Gottheit Jesu Christi in Frage stellte. Arius stammte aus einer wohlhabenden christlichen Familie aus der sogenannten Cyrenaica in Nordafrika am Mittelmeer. Er kam um das Jahr 260 auf die Welt. In Alexandria wurde er zum Diakon, später zum Presbyter geweiht. Presbyter waren damals gemeinsam mit den Pfarrern die Leiter der Gemeinde: Arius war also eine Art Vorsitzender des Kirchengemeinderates.
Es heißt, dass Arius ein vielgereister, freundlicher und gebildeter Mann war und außerdem Dichter gern gesungener Lieder. Er war von großer, hagerer Gestalt, hatte eine sanfte Stimme und angenehme Umgangsformen. Arius vertrat die Auffassung, dass Gott ohne Ursprung sei: Gott gab es schon immer und er wird auch in alle Ewigkeit stets der gleiche sein. Das war unter Christen schon immer Konsens.
Nun behauptete Arius allerdings, dass diese Ewigkeit Gottes nicht für Jesus Christus gelte, den die Christen aber als Sohn Gottes verehrten. Der Sohn von Gott kann nicht so ewig sein, wie der Vater, so die Überzeugung von Arius. Er sagte „Es gab eine Zeit, wo er (der Sohn Gottes) nicht war.“ Der Sohn Gottes, der Mensch wurde, ist in Wahrheit ein Geschöpf des Vaters, wenn auch das erste und vornehmste aller Geschöpfe.
Wörtlich sagte Arius: „Wir haben nicht zahllose Götter wie die Heiden, sondern einen einzigen Gott. Wäre Christus völlig gottgleich, so hätten wir zwei Götter, und das widerspricht unserem Bekenntnis. Also ist Christus nicht Gott, sondern er ist ein Mensch, freilich der oberste und vornehmste aller Menschen, unvergleichlich hoch über allen anderen, aber eben doch Mensch von Fleisch und Blut.“
Diese Frage hat die Christenheit damals fast 100 Jahre lang beschäftigt und in Atem gehalten. Als der Bischof von Alexandria Arius widersprach, kam es zu Tumulten. Dennoch setzte er Arius im Jahr 321 von seinem Amt als Gemeindeleiter ab. Arius verlor Amt und Würden und wurde vertrieben.
Die Diskussion innerhalb der Christenheit beruhigte das allerdings nicht, denn Arius hatte viele Anhänger und Vertreter seiner Thesen. Die Christen spürten deutlich, dass es nicht um intellektuelle Spitzfindigkeiten ging, sondern um den Kern des Glaubens: War Jesus nur ein außergewöhnlicher Mensch? Oder hat er als Sohn Gottes die Welt mit Gott versöhnt?
Diese Frage hat damals die Gemüter erregt. Der Streit nahm immer größere Ausmaße an. Bischof Gregor von Nazianz seufzte einmal, dass er nicht einmal zum Schumacher gehen könne, um seine Schule besohlen zu lassen, ohne in eine theologische Diskussion verwickelt zu werden: War der Sohn nun wesensgleich mit dem Vater – also selber von göttlicher Natur? Oder nur wesensähnlich – also ein Geschöpf und damit Gott eindeutig untergeordnet? Ich muss sagen: Ich hätte nichts dagegen, wenn mich der Dachdecker oder Heizungsmonteur in ein theologisches Gespräch verwickeln würde …
Nun kam aber in jener Zeit plötzlich ein ganz neuer Faktor hinzu: Denn im Toleranzedikt aus dem Jahr 313 hatte Kaiser Konstantin die Religionsfreiheit auch für die Christen erklärt. Die jahrzehntelange Christenverfolgung war damit zu Ende: Christen konnten endlich aufatmen. Wahrlich ein Meilenstein in der Kirchengeschichte. Ja noch mehr: Das Christentum wurde in den folgenden Jahren zur favorisierten Staatsreligion.
Damit wurde der theologische Streit aber plötzlich zu einem Politikum. Und das sollte für die Kirche weitreichende Folgen haben – und nicht nur positive: Von der Zeit an mischte sich die Politik immer wieder in theologische Fragen der Kirche ein. Und umgekehrt nahm die Kirche die staatliche Gewalt für die Durchsetzung ihrer Ziele immer wieder gern in Anspruch. Auch das ein Meilenstein in der Geschichte des Christentums im Jahr 325 – mit zweifelhaften Folgen.
Nun mischte sich also der Kaiser in den theologischen Streit ein. Konstantin berief eine Synode nach Nicäa, um die Frage zu klären. Nicäa war eine Stadt am Marmarameer im Nordwesten der heutigen Türkei; nicht weit von Istanbul entfernt – damals noch Konstantinopel. In der Abschlusserklärung dieser Synode wurde die Lehre von Arius verdammt. Stattdessen heißt es in dem Bekenntnis: Der Sohn Gottes ist nicht geschaffen, er ist kein Geschöpf, sondern trägt selber göttliches Wesen in sich. Wörtlich heißt es: Er ist „Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott vom wahren Gott“.
Die Beschlüsse des Konzils wurden vom Kaiser zu Reichsgesetzen erklärt, und Arius wurde verbannt, wie schon erwähnt. Diese politische Dimension eines christlichen Bekenntnisses war neu. Denn nun konnte auch der Staat gegen solche Christen vorgehen, die eine abweichende Lehrmeinung vertraten.
Arius starb im Jahr 336: Doch die Diskussion beruhigte sich nicht. Aus politischen Erwägungen heraus wollte der Kaiser die Anhänger des Arius versöhnen und kämpfte für die Rehabilitierung von Arius.

Miniatur über die Synode in Nicäa im Jahr 325: Vierter von links ist der Kaiser; am Boden liegt Arius. © duncan1890 / Getty Images / iStock (Ausschnitt)
Im Jahr 381 wurde ein zweites ökumenisches Konzil einberufen, dieses Mal nach Konstantinopel. Dabei wurden die Beschlüsse von Nicäa aus dem Jahr 325 bestätigt und durch einzelne Formulierungen ergänzt. Außerdem wurde in Konstantinopel die volle Gottheit des Heiligen Geistes – also der dritten Person der göttlichen Trinität – in Worte gefasst. Aus diesem Grund hat das Bekenntnis, dessen Jubiläum wir feiern, diesen komplizierten Namen: Nicäno-Konstantinopolitanum. Eben weil es auf zwei Synoden in zwei unterschiedlichen Städten in den Jahren 325 und 381 zurückging.
Und gerade dieses Bekenntnis hat bis heute eine herausragende ökumenische Bedeutung. Denn: Es wird auch von der orthodoxen Kirche als Bekenntnis anerkannt und gesprochen. Es ist damit das einzige Bekenntnis, das alle drei großen Konfessionen verbindet. Für das apostolische Glaubensbekenntnis gilt das nicht. In orthodoxen Gottesdiensten wird es nicht verwendet, weil – nach orthodoxer Auffassung – wichtige Aussagen fehlen.
IV) Weshalb waren die Entscheidungen von damals so wichtig?
Das Bekenntnis von Nicäa-Konstantinopel aus dem Jahr 325 gehört zu den Grundlagen unserer badischen Landeskirche. Bei meiner Ordination wurde ich u.a. auch auf dieses Bekenntnis verpflichtet: Es gehört zu den Ordnungen unserer Kirche, die ich als Pfarrer zu beachten habe.
Allerdings ist es ja immer wichtig, dass man auch versteht, was man glaubt oder im Bekenntnis spricht. Denn auch hier gilt das bekannte Zitat von Goethe: „Was du ererbt von deinen Vätern hast, erwirb es, um es zu besitzen“. Wir sollen die Worte der alten Bekenntnisse versuchen zu verstehen, damit wir sie uns aneignen können. Und damit wir ihre Kraft verstehen und ihren Segen. Und das gilt für jeden Christen. Deshalb dieser Gottesdienst heute.
Kurz zum Wortlaut des Bekenntnisses im Vergleich zum Apostolischen Glaubensbekenntnis: Im ersten Teil über Gott, den Vater gibt es nur eine kleine Ergänzung. Wichtiger ist die Ergänzung im zweiten Teil über Jesus Christus. Hier ist genau dieses eine Thema entfaltet, dass Jesus kein Geschöpf ist. Kein großer Mensch allein. Kein großer Prophet, sondern wirklich Teil von Gott:
Wir glauben an den einen Herrn Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn,
aus dem Vater geboren vor aller Zeit:
Gott von Gott, Licht vom Licht,
wahrer Gott vom wahren Gott,
gezeugt, nicht geschaffen,
eines Wesens mit dem Vater;
durch ihn ist alles geschaffen.
Bei der Beschreibung, wie Jesus die Welt erlöst hat, gibt es inhaltlich nichts Neues. Allerdings im letzten Teil über den Heiligen Geist sind mehrere Passagen neu: Auch hier wird betont und festgehalten, dass auch der Heilige Geist Teil der göttlichen Trinität ist:
Wir glauben an den Heiligen Geist,
der Herr ist und lebendig macht,
der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird,
der gesprochen hat durch die Propheten …
Ich finde vor allem zwei Entscheidungen aus jenem Bekenntnis von zentraler Bedeutung auch für unsere Zeit heute:
1. In Jesus Christus kommt tatsächlich der allmächtige Gott auf diese Welt.
Jesus ist nicht nur ein großer Lehrer, der große Weisheiten hinterlassen hat. Das hat auch Konfuzius gemacht. Oder Mohammed. Oder all die anderen Religionsstifter. In Jesus Christus dagegen zeigt Gott uns sein wahres Gesicht: Das ist der zentrale und immer wieder so berührende Gedanke. Kein Mensch kann Gott sehen. Kein sterblicher Mensch könnte die unmittelbare Herrlichkeit Gottes aushalten.
Und unsere Vermutungen, wie Gott wirklich ist, ob er liebevoll oder zornig ist, ob er barmherzig oder nachtragend ist, ob er nur die gläubigen Menschen liebt oder auch die andern, das sind doch alles nur Vermutungen und Spekulationen. Denn: Kein Mensch hat zuverlässige Informationen über Gott. Aber: In Jesus zeigt Gott uns sein wahres Gesicht. Und wenn wir wissen wollen, wie Gott ist, müssen wir Jesus anschauen. Das ist der entscheidende Punkt: In Jesus Christus offenbart sich der dreieinige Gott.
Und gerade wenn uns Gottes Wege manchmal rätselhaft und schwer vorkommen, sollen wir umso mehr auf Jesus Christus schauen. In ihm zeigt Gott uns sein gnädiges Gesicht. In Jesus Christus begegnet uns die Liebe Gottes in Person.
Genau das stellt aber die Lehre von Arius in Frage. Und deshalb ist es auch heute so wichtig, ihm zu widersprechen. Jesus ist nicht nur ein Geschöpf unter vielen. Er ist nicht nur unser Bruder, der uns mitnimmt auf den Weg des Glaubens. Der uns vorlebt, wie wir an Gott glauben sollen. Nein, in Jesus begegnet uns der allmächtige Gott höchstpersönlich. Deshalb glauben wir nicht nur wie Jesus, wir glauben an Jesus Christus und verehren ihn selber in seiner göttlichen Herrlichkeit.
Wir beten nicht nur mit Jesus, sondern wir beten zugleich zu Jesus: Er ist nicht nur Vermittler unserer Gebete. Er ist selber Adressat unserer Gebete. Er sitzt zur Rechten Gottes, wie es im Bekenntnis heißt. Er sitzt selber an der Schaltzentrale der göttlichen Macht. Er kann uns selber helfen.
Und noch ein zweiter Gedanke:
2. Nur wenn Jesus wirklich Gottes Sohn ist, kann er uns auch erlösen. Nur als Sohn Gottes kann er den Fluch von Sünde und Schuld wirklich brechen.
Am Kreuz von Golgatha ist nicht nur ein großer Mensch für seine persönlichen Ideale gestorben. Das auch. Und auch das war schon eine große Tat und ein großes Vorbild. Aber am Kreuz von Golgatha hat sich Gott selbst in seinem Sohn für die Schuld der Menschen geopfert. Das wird im Neuen Testament immer wieder betont: Johannes 3, 16: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eigenen Sohn für sie hergab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Oder in 2. Korinther: „In Christus hat Gott selbst gehandelt und hat die Menschen mit sich versöhnt. Er hat ihnen ihre Verfehlungen vergeben und rechnet sie nicht an. Diese Versöhnungsbotschaft lässt er unter uns verkünden.“
So wenig sich ein Mensch am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen kann, so wenig hätte Jesus als Geschöpf die Welt aus dem Teufelskreis von Sünde und Schuld erlösen können. Kreuz und Auferstehung war die Tat Gottes zur Erlösung seiner Geschöpfe. Und wenn wir Jesus Christus nicht als Sohn Gottes und damals als Teil von Gott verehren würden, würden wir Gott die Ehre nehmen.
Deshalb ganz zum Schluss noch einmal der Vergleich mit dem Rettungsring: Wenn einer in einen reißenden Fluss gefallen ist und in einen Strudel zu geraten droht, dann hilft ihm die eigene Kraft nicht mehr. Dann kann ihm nur noch ein Rettungsring helfen, den ihm einer von außen zuwirft.

(Quelle: Pixabay)
In Glaubensbekenntnis von Nicäa-Konstantinopel ist dieser Rettungsring für uns Menschen eindrucksvoll beschrieben: „Für uns Menschen und zu unserm Heil ist er vom Himmel gekommen, hat Fleisch angenommen durch den Heiligen Geist von der Jungfrau Maria und ist Mensch geworden.“
Da hilft es nichts, wenn einer, der ins Wasser gefallen ist, sich selber beruhigt: „Ich glaube fest daran, dass ich hier noch stehen kann. Das Wasser kann eigentlich nicht so tief sein.“ Oder: „Ich glaube fest daran, dass der Strudel so schlimm nicht sein wird. Im Übrigen bin ich doch ein guter Schwimmer.“
Für einen, der in einen reißenden Fluss gefallen ist, wären solche „Bekenntnisse“ falsche Vertröstungen. So ähnlich ist es auch mit den selbst formulierten Glaubensbekenntnissen. In den Krisen des Lebens helfen sie wenig. Wirklich tragfähig ist nur der Rettungsring, den Gott selber uns zuwirft! Amen.
Fürbittengebet & Vater Unser
Dreieiniger Gott, in den Stürmen unseres Lebens lässt du uns nicht allein. Wie ein Vater nimmst du uns an der Hand und zeigst uns den Weg, damit wir nicht verloren gehen.
Dreieiniger Gott, trotz unserer Schuld und trotz allem Versagen überlässt du uns nicht unserem Schicksal. In Jesus Christus wirfst du uns den Rettungsring zu, damit wir nicht untergehen.
Dreieiniger Gott, trotz vieler ungelöster Fragen müssen wir nicht verzweifeln. Du meinst es gut mit uns, auch wenn wir manches nicht verstehen.
Dreieiniger Gott, so bergen wir unser Leben in deiner Hand. Wir überlassen unsere Sorgen deiner großen Weisheit. Und wir freuen uns jetzt schon darauf, dass du diese Welt eines Tages vollenden wirst in deinem Reich.
Großer Gott, aber noch sind wir auf dem Weg zu diesem großen Ziel. Deshalb bitten wir dich: Halte deine schützende Hand über unsere zerrissene Welt. Schenke Frieden in der Ukraine und im Nahen Osten!
Sei bei allen Kranken und bei allen Leidenden: Schenke Linderung und Besserung!
Sei bei allen, die alt und schwach geworden sind: Schenke Zuversicht und Geduld, mehre aber auch die Freude auf dein Reich!
Sei bei allen, die im Streit leben: Schenke Versöhnung und den Willen zu einem neuen Anfang!
Gemeinsam beten wir mit den Worten Jesu: Vater Unser im Himmel …
Pfarrer Theo Breisacher, Münstertälerstraße 8, 79219 Staufen, theo.breisacher@ekistaufen.de
Predigtblog: www.theo-breisacher.de